Wer schützt die Alten?

 

28. Dezember 2020
von Hans-Lothar Michels

Heute morgen sah ich einen Video-Clip, in dem der Bundesgesundheitsminister vortrug wie die Bundesregierung den Impfstoff gegen SARS Cov 2 in der BRD verteilen will und wer zuerst geimpft werden soll. Ich traute meinen Ohren nicht: Herr Spahn, dessen Auftreten sich immer mehr so entwickelt, wie ich mir einen transhumanistischen Computer vorstelle – nämlich ohne Empathie – erzählte, nein las ab, dass zunächst die am meisten gefährdeten Menschen, die Alten geimpft werden sollen. Er sorgt sich also um das Wohlergehen der älteren und alten Menschen in den Seniorenheimen.

Im November 2019 – also vor der sogenannten Coronakrise – erschien in der ZEIT ein Artikel mit dem Titel: "Die Menschen betteln, um auf Toilette gehen zu dürfen“ 3,4 Millionen Menschen seien pflegebedürftig. 2018 wurden 40.000 Stellen in Kranken- und Pflegeeinrichtungen nicht besetzt, hieß es in einem Interview mit einer Altenpflegerin. Diese berichtete, dass das Personal in den Einrichtungen so überlastet ist, dass es kaum die Grundbedürfnisse der Heimbewohner erfüllen könne. Patienten würden abgewimmelt, weil das Personal keine Zeit hat, sie zur Toilette zu bringen. In manchen Schichten würden 30 BewohnerInnen von zwei PflegerInnen betreut.

Laut Tarifvertrag arbeiten die PflegerInnen 38,5 Stunden die Woche, aber alle haben überdurchschnittlich viele Überstunden angesammelt. Manchmal müssen sie 12 Tage durcharbeiten ohne einen freien Tag. Das Gehalt für diese Knochenarbeit beträgt zwischen 2200 und 2500 € brutto, davon kann ein Mensch kaum leben und diese Entlohnung zeigt, wieviel unserer Gesellschaft und der Politik die Arbeit der Pflegenden wert ist. „Viele Arbeitgeber behandeln ihre Pflegekräfte wie Sklaven. Sie respektieren etwa nicht, dass jemand Urlaub hat und rufen ihn oder sie an freien Tagen trotzdem an … Wer will so einen Beruf der schlecht bezahlt und nicht angesehen ist, kaum Privatleben zulässt und bei dem man jederzeit auf Abruf bereitstehen muss?“

Jens Spahn, der angeblich um die Welt fliegt, um Pflegepersonal anzuheuern, weiß um diese Zustände, tut jedoch nichts, um sie zu ändern. Änderung würde eine leistungsgerechte Bezahlung bedeuten und ein Personalschlüssel, der so gestaltet ist, dass auf die Bedürfnisse der alten Menschen wie auch der Pflegenden eingegangen werden kann. Dass Spahn diese Situation, wenn er nur wollte, ändern kann, hat er mit einigen äusserst harten Massnahmen in diesem Jahr bewiesen.

Wenn jetzt der Gesundheitsminister alte Menschen durch eine Impfung von der wir nichts wissen – weder über Nebenwirkungen, noch über Schutzwirkungen – vor einer Corona-Infektion schützen will, dann erscheint mir das vor dem oben skizzierten Hintergrund wie ein Hohn. Hat er wirklich keine Ahnung oder verschließt er die Augen weil er ein Pharmalobbyist ist? Oder will er einen Impfstoff bei alten Menschen testen, weil bei den mehrfach Erkrankten und mit Arzneimitteln gut gefütterten Menschen es nicht so sehr auffällt, wenn eine Impfkomplikation stattfindet?

Alte Menschen als Ersatz für Laborratten?